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Was für eine Wirtschaft wollen wir?

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Ein Beitrag von Thomas Fuhlrott

Vielen Menschen ist das wirtschaftliche Geschehen nur schwer verständlich. Bei Missständen und Krisen wird oft persönliche Gier als Ursache vermutet, ein Nie-Genug-Bekommen.
In unseren Schulen steht Ökonomie nicht auf dem Lehrplan und selbst die Universitäten vermitteln in ihren Wirtschaftsfächern selten ein umfassendes Bild ökonomischer Zusammenhänge. Dabei bildet die Ökonomie ein komplexes Geflecht in dem wir uns täglich bewegen. Egal ob wir im Supermarkt unsere Lebensmittel einkaufen, die Gasrechnung bezahlen oder die Kinder in der Musikschule anmelden. Das wirtschaftliche Leben fließt wie Wasser um uns, ob es uns nun gefällt oder nicht. Was aber bedeutet das für uns alle?

Der Ökonom Ludwig von Mises befand, die Ökonomie müsse den Menschen dienen, sah diese aber so, wie sie sind. Liebenswert, kreativ, anpackend, mitfühlend, aber auch ängstlich, habgierig, gemein, unehrlich. Die Gesellschaft, auch das ökonomische Geschehen, so Mises, sollte im Idealfall eine Struktur bieten, welche den positiven Eigenschaften und Potentialen viel Raum zur Entwicklung, den negativen Neigungen dagegen möglichst wenig Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Es ist das alte Prinzip von Yin und Yang, das Gute gibt es nicht ohne das Schlechte, das Licht, um es zu erkennen, benötigt die Dunkelheit. Wer das Wahre, Gute und Schöne wünscht, muss sich auf den Weg dorthin machen. Doch wie diesen finden?

Es ist sehr in Mode gekommen, alle Unzulänglichkeiten, Probleme und Verwerfungen der Wirtschaft dem Kapitalismus und der damit verbundenen Marktwirtschaft zuzuschreiben. Doch auf die Frage, was ist denn eigentlich Kapitalismus, wissen die meisten von uns keine Antwort. Dabei ist es ganz einfach. Die Definition von Kapitalismus beinhaltet nur zwei Dinge: das Recht auf Privateigentum und Vertragsfreiheit. Alles andere sind Entwicklungen und Verwerfungen, an denen Politik und Regierungen von Beginn an tatkräftig mitwirken. Obwohl z.B. das Bundeskartellamt marktbeherrschende Positionen von Unternehmen zum Nachteil der Kunden verhindern soll, stimmen Minister schon mal dagegen.

Als das Bundeskartellamt 2002 der Fusion von E.ON und Ruhrgas aus Sorge vor einer marktbeherrschenden Stellung widersprach, erteilte der damalige Bundeswirtschaftsminister, Werner Müller, eine sogenannte Ministererlaubnis. Müller war vor seinem Eintritt in die Politik bei der E.ON Vorgängerin Veba beschäftigt. Nach seinem Ausscheiden aus der Politik wurde Müller u.a. Vorstandsvorsitzender der Ruhrkohle AG.

Ganz aktuell ist das Beispiel des neuen CDU-Vorsitzenden und Fraktionschefs der CDU Friedrich Merz. Vor seinem erneuten Engagement in der Politik war Friedrich Merz Vorstandsvorsitzender und Lobbyist für „BlackRock“ Deutschland, dem größten Vermögensverwalter der Welt (2016 – 2020). Würde er sich einer versuchten Einflussnahme des Hedgefonds auf die Politik in den Weg stellen? Fühlen sich Politiker wie er einer wirklich freien Entfaltung aller Marktteilnehmer verpflichtet, die innerhalb eines gesetzten Ordnungsrahmens agieren oder spielen auch andere Interessen eine Rolle?

Eine andere Frage ist die nach staatliche Subventionen.
Eines Tages kam die Politik auf die Idee, den Bauern unter die Arme zu greifen. Statt eine ausbalancierte Landwirtschaft zu betreiben, wurde zum intensiven Ausbau der Milchproduktion geraten und dieser Ausbau mit hohen Subventionen unterstützt. Viele Bauern nahmen das Angebot und die damit verbundenen Subventionen gern an, investierten in hochmoderne Ställe und vollautomatische Melkanlagen. Als sich die Einkommenssituation der beteiligten Betriebe deutlich verbesserte, folgten andere dem Beispiel nach. In Folge erhöhte sich die Milchproduktion bei gleichbleibender Nachfrage, was zu einem stetigen Preisverfall der Milch führte. Als der vom Handel gezahlte Preis kaum noch die Produktionskosten deckte, riefen die Bauern nach Subventionen beim Milchpreis. Ohne staatliche Subventionen hätten die landwirtschaftlichen Betriebe wohl kaum mehr Milch produziert, als sie am Markt verkaufen können.

Durch Subventionen entsteht oft eine Überproduktion am Markt vorbei. Wir erinnern uns noch an den sogenannten „Butterberg“. Die überproduzierten Lebensmittel landen dann in Kühlhäusern und werden mit subventioniertem Export beispielsweise nach Afrika verschifft. Auf den dortigen Märkten sind sie meist billiger als vor Ort hergestellte Lebensmittel, heimische Bauern verlieren ihre Existenz. Foodwatch-Chef Thilo Bode machte die Europäische Union schon 2008 für die Vernichtung bäuerlicher Existenzen in der Dritten Welt verantwortlich. Die damit verbundene Nahrungsmittelkrise könnte nach Einschätzung der Vereinten Nationen mehr als 100 Millionen Menschen in den Hunger treiben. All das hat mit Kapitalismus und Markt in seiner emanzipatorischen Form nichts zu tun.

Aber ist nicht das Streben nach Profit Schuld an der ganzen Misere?
Profite sind erst einmal nichts Schlechtes. Jedes Unternehmen sollte Profite machen, ansonsten kann es auf Dauer nicht am Markt bestehen. Profite beinhalten Rücklagen für Investitionen, Notlagen und Entwicklung der Unternehmen. Grundsätzlich würde ein klar definierter Markt und lebhafter Wettbewerb auch die Höhe der Profite beeinflussen.

Stellen wir uns einen Marktplatz mit 100 Ständen vor und an allen Ständen würden Tomaten angeboten. In diesem Fall wäre die Profitrate kleiner Null, da das Angebot die Nachfrage bei Weitem übertrifft. Erste Anbieter, die ihre Tomaten günstig, sprich unter Gestehungskosten anbieten, würden den geringsten Schaden erleiden. Profitabel könnte unter diesen Gegebenheiten niemand arbeiten. Genau das Gegenteil ist bei Monopolstellungen der Fall. Gibt es nur einen oder wenige Anbieter eines Produkts oder einer Dienstleistung könnten überhöhte Preise diktiert werden. Höchste Qualität ist, da es hier keinen Markt gibt, nicht wirklich erforderlich. Die sozialistischen Staaten dieser Welt waren ein gutes Beispiel dafür. Spitzenprodukte aus ihrer Produktion gab es nur in seltensten Fällen.

Kritiker werden jetzt meinen, ich rede einem hemmungslosen Turbokapitalismus das Wort. Doch wo finden wir den bei uns? Wir haben eine staatliche Bildungspolitik, ein staatlich reglementiertes Gesundheitswesen, eine hochsubventionierte Landwirtschaft, kurzum eine Staatsquote von über 50 Prozent, inklusive inzwischen staatlich kontrollierter Zentralbanken. Daneben gibt es den Hilfsmotor Markt, der die Mittel für all das erwirtschaftet – ein Ast, an dem heute von vielen Seiten fleißig gesägt wird. Was also können wir tun?

Als erstes sollten wir uns nicht auf Regierungen verlassen. Hier finden wir in der Regel eine Kollaboration mit der Groß- und Finanzindustrie und eine Vielzahl Gesetzte zu deren Gunsten. Selbständige, kleine und mittlere Unternehmen werden dagegen mit überbordenden Regeln und immer neuen Abgaben und Steuern in ihrer Entwicklung ausgebremst. Viele neue, spannende, nachhaltige und kreative unternehmerische Ideen werden so in ihrer Entfaltung behindert oder unmöglich gemacht. Markt ist durchaus nachhaltig. In seiner ursprünglichen Form erfordert er schon aus ökonomischen Gründen einen sparsamen Einsatz von Ressourcen. Wer erfolgreich bestehen will, sollte die Wünsche seiner Kunden kennen, wünschenswerte gesellschaftliche Entwicklungen erspüren und mit seinem Angebot unterstützen.

Wie das aussehen könnte? Die Gründerin von „The Body Shop“, Anita Roddick sagte einmal, das Wort „Liebe“ klinge im Wirtschaftsleben heutzutage bedrohlicher, als das Wort „Bilanzverlust“. Das sollten wir ändern. Liebe zum Leben, zu unseren Produkten, Liebe zur Natur und Respekt vor unseren Produzenten, Mitarbeitern und Kunden – so könnte ein neues Wirtschaften aussehen. Das Credo des Berliner Wirtschaftsprofessors Günter Faltin heißt: Wir können Ökonomie besser – wir alle. Damit sind Unternehmen wie Kunden gleichermaßen gemeint. Markt könnte nämlich so etwas wie direkte Demokratie sein. Unsere Geldscheine sind unsere Stimmzettel mit denen wir über Produkte und gewünschte Entwicklungen abstimmen.

Es ist einen Versuch wert!

Thomas Fuhlrott ist einer der Gründer von zait und Vorsitzender des Kuratorium der Stiftung für Entrepreneurship, Berlin
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